Wozu Chán in unserer heutigen Zeit?

(Chán ist die chinesische Urform dessen, was man heute im Westen allgemein als Zen bezeichnet)

 

 

Ein Großteil der Menschen steht in unserer Zeit unter extremem Druck. Stress, Überforderung und Existenzängste sind häufig die Folge. Oft verbunden mit gravierenden, negativen Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit, das Sozialverhalten.

 

Wir fühlen uns schlapp, sind erschöpft, wir haben Zukunftsängste und die Gesellschaft wird zunehmend agressiv und rücksichtslos. Immer mehr Menschen haben das Gefühl, in all dem Stress und all der Hektik und der subjektiv gefühlten „Zeitnot“ etwas zu verpassen. Man macht mit dem Smartphone Selfies für später, zur Erinnerung, obwohl man häufig nie die Zeit finden wird diese später einmal anzusehen. Häufig ist dies verknüpft mit einem egoistischen Lebensstil, exzessivem Konsumverhalten und der Flucht in künstlich erschaffene, mediale Ersatzwelten. Damit einhergehend, entwickeln sich dann narzisstische Zwangsstörungen. Der Lebensstandart hängt am beruflichen Erfolg und die Anforderungen am Arbeitsplatz werden gleichzeitig immer größer. Dauerstress ist eine Folge.

 

Um den vermeindlichen Ausgleich, das vermeindliche Glück aus kurzweiliger Ablenkung und Konsum finanzieren zu können, dessen Finanzierung erneut ein "höher, schneller, weiter“ im Arbeitsleben erfordern, begibt man sich immer weiter in diesen unheilsamen Sog, diese lebensfeindliche Abwärtsspirale. Dennoch gelingt es nur wenigen, diesen "Teufelskreis" rechtzeitig zu erkennen und zu überwinden.

 

Stattdessen nehmen wir Medikamente wie Psychopharmaka um geistig mithalten zu können, besuchen Kurse zum Stressabbau, schlucken leistungssteigernde Mittel....

 

Chán ist der Weg zu innerer Freiheit...

 

Chán führt zurück ins Leben. Zum wahren Sein. Wesentliche Praxis ist die Meditation. Schon der Gedanke nichts zu tun, einfach nur zu sein, ist vielen fremd. Meistens lebt man im Gestern oder Morgen, getrieben von Gedanken, Planungen. Nur selten lebt man tatsächlich im Hier und Jetzt“. Ein großer Teil unseres Lebens verbringen wir in Unzufriedenheit.

 

Die auf dem Chán-Weg stattfindende Konfrontation mit dem echten, tatsächlichen Leben (und dieses existiert nur in diesem einen Moment) kann sehr hart und schmerzvoll sein und uns viel abverlangen. Doch die Praxis des Chán ist, konsequent gegangen, ein Schlüssel zu körperlicher und geistiger Gesundung und zu innerem Frieden. Chán führt zu innerer geistiger Freiheit in Harmonie mit sich, sowie unserer physischen und sozialen Umwelt. Das Ego wird langsam selbstlos.

 

 

Chán führt uns wieder zurück zum Wesentlichen, zum Leben in seiner ganzen Fülle.

Zu anhaftungslosem und wahrem sein, jenseits von Wertungen und Schubladendenken.

 

Das bedeutet: Schmerzhaftes Loslassen, von bisherigen Vorstellungen, Wünschen, Plänen....

Und es heisst: Platz machen für das „Hier und Jetzt“ und somit für radikale Veränderungen.

 

 

Die Methoden und verschiedenen Arten der Praxis haben stets zum Ziel die Funktionsweise unseres Geistes, unsere Getriebenheit und Abhängigkeit zu erkennen, zu hinterfragen und zu analysieren. Dies geht dahin, dass letztendlich auch die Methodik des Analysierens radikal hinterfragt wird. In letzter Konsequenz besteht dann nur authentisches, spontanes „Sein“.

 

Praktizierter Chán-Buddhismus holt einen ins Leben zurück. Man isst, wenn man Hunger hat, man schläft, wenn man müde ist und befreit sich allmählich von den Täuschungen und Illusionen des Lebens. - Insbesondere von egoistischen Vorstellungen.

 

Es also geht im Chán-Buddhismus keinesfalls darum im bisherigen System durchsetzungsstärker oder auf sonstige Weise effektiver zu sein oder zu werden. Auch geht es nicht darum blind in irgendeiner fernöstlichen Religion sein Glück zu suchen und dieser anzuhängen und nachzueifern. - Der Buddhismus bietet uns effektive Methoden an, ist aber genauer betrachtet nur Hilfsmittel bzw. traditionelles Gewand.

 

 

       Rev. Fa Yi Shakya - Mai 2016