Chan-Meditation

Vorbereitung

 

Bevor Sie mit der Praxis beginnen, ist es wichtig, Körper und Geist zu entspannen. Doch sollten Sie vorsichtig sein, um nicht in eines der Extreme zu verfallen, noch verspannter zu werden oder so sehr zu entspannen, dass Sie einschlafen. Aus diesem Grund ist die mentale Einstellung wichtig.

 

Sagen Sie sich selbst, dass die Praxiszeit die beste Zeit des Tages ist. Diese kurze Zeit ist kostbar. Wenn Sie diese Einstellung haben, werden Sie weder verspannt noch schläfrig sein. Wenn die Meditation beschwerlich ist, wird es schwierig, dabei zu bleiben. Bevor Sie sich hinsetzen, sollten Sie sich daran erinnern, dass es ein Glück ist, dies tun zu können. Denken Sie an das Sitzen als eine Zeit der Entspannung und Freude. Lassen Sie alle Sorgen fallen.

 

Versichern Sie sich, dass Ihre Haltung korrekt ist. Wenn Sie die Haltung eingenommen haben, vergessen Sie Ihren Körper, um ganz entspannen zu können. Beobachten Sie Ihren Geist, beobachten Sie, wohin er geht, aber folgen Sie ihm nicht. Wenn Sie den Gedanken folgen, werden Sie versuchen, sie zu kontrollieren. Sobald Sie realisieren, dass Sie den wandernden Gedanken gefolgt sind, verschwinden diese von selbst. Wenn Gedanken auftauchen, achten Sie auf den Atem. Wenn Ihr Geist klar ist, sitzen Sie einfach. Versichern Sie sich, dass Ihre Haltung noch korrekt ist.

 

 Körperhaltung

 

Die Beine: 

 

Die Meditation kann im Lotossitz , im halben Lotossitz , im sogenannten "Burmesischen Sitz" oder im Fersensitz durchgeführt werden. Hilfsmittel sind im Chan das Sitzkissen  mit der darunter liegenden Matte. Sitzschemel oder Meditationsbank werden ebenfalls genutzt, gelten jedoch als weniger effektiv, da durch die traditionelle Sitzweise die Extremitäten in der Nähe des Körperzentrums positioniert werden und somit eine stärker zentrierte Haltung erlauben. Welcher Sitz auch immer gewählt wird, die Knie sollen Bodenkontakt haben. Bei gesundheitlichen Einschränkungen ist auch das Sitzen auf einem Stuhl möglich. Wählen Sie zu Beginn eine Position, die angenehm ist und während zwanzig Minuten aufrechterhalten werden kann.

Die Wirbelsäule: 
Die Wirbelsäule muss aufgerichtet sein. Das Becken ist leicht nach vorn gekippt, das Kinn leicht angezogen. Der Körper sollte weder nach vorn noch nach hinten noch zur Seite geneigt sein.
Die Hände: 
Die Hände formen das „Dharma-Reich-Samadhi-Mudra“ (die Geste der Einheit mit der Realität). Diese Handhaltung hilft, den Fluss der inneren Energien und den Körper mit der äusseren Welt zu harmonisieren. Die nicht aktive Hand liegt in der aktiven, die Daumen berühren sich leicht. Die Handkante liegt am Unterbauch und die Hände ruhen auf den Beinen.
Die Schultern: 
Lassen Sie die Schultern nach unten fallen und entspannen Sie Arme und Hände.
Die Zunge: 
Die Zungenspitze ist nach oben gebogen und berührt den Gaumen hinter der Zahnreihe. Das verhindert das Austrocknen des Mundes. Wenn zu viel Speichel auftritt, kann diese Stellung gelöst werden.
Der Mund: 
Der Mund sollte geschlossen sein. Atmen Sie durch die Nase.
Die Augen: 
Die Augen sollten leicht offen sein und in einem 45°-Winkel nach unten gerichtet. Schauen Sie nichts an. Die Augen zu schliessen, kann Schläfrigkeit oder visuelle Illusionen hervorrufen. Wenn sich die Augen jedoch sehr müde anfühlen, können sie für kurze Zeit geschlossen werden.
Atmung:

Atmen Sie natürlich, kontrollieren Sie den Atem nicht. Wir fokussieren uns auf den Atem, um den Geist zu konzentrieren. Das bedeutet, dass wir zusammen mit dem Atem den Geist regulieren.

 

Den Geist zu regulieren bedeutet, ihn zu stabilisieren und konzentrieren. Eine grundlegende Methode ist, den Atem in sich wiederholenden Zyklen von zehn Atemzügen zu zählen. Beginnen Sie mit eins (in Gedanken, nicht laut), jedes Ausatmen zu zählen, die Aufmerksamkeit ganz auf dem Zählen. Wenn Sie bei zehn ankommen, beginnen Sie erneut. Beim Einatmen richten Sie die Aufmerksamkeit auf das Einströmen des Atems durch die Nase. Wenn wandernde Gedanken auftauchen, beachten Sie sie nicht und fahren mit Zählen fort. Wenn Sie vom Zählen wegdriften, starten Sie von neuem.

 

Wenn nicht sehr viele wandernde Gedanken auftreten, können Sie das Zählen weglassen und den Atem beobachten. Richten Sie die Aufmerksamkeit auf die Nasenöffnung. Versuchen Sie nicht, den Atem zu kontrollieren.

Geisteshaltung

Durch die Haltung, Beobachtung und Konzentration kommt der Strom der Gedanken langsam zur Ruhe, man lässt auftauchende Gedanken wie Wolken am Himmel vorüberziehen und vertieft sich bewusst nicht darin.

 

 

 

Der große Gelehrte und  Chan-Meister Xu Yun lehrte über die Geisteshaltung während der Meditation:

 

 

Hsu Yun über die Schwierigkeiten von Anfängern in der Übung:

 

Die üblichen Symptome der Anfängerkrankheit sind die Unfähigkeit, umherwandernde Gedanken und Gewohnheiten ablegen zu können; die Tiefe ihrer Unwissenheit; das Hindernis von Arroganz und Eifersucht; die Neigung zu Gier, Wut, Dummheit; die Faulheit bei der Arbeit und das Verlangen nach Essen; die Vorliebe für das Schüren von Richtig und Falsch zwischen selbst und anderen. All dies füllt ihre großen Bäuche. Wie können Anfänger da in Einklang mit dem Weg kommen?
Es gibt andere Arten von Menschen, die in reiche und vornehme Familien geboren werden. Unfähig, ihre Gewohnheiten und weltlichen Makel zu vergessen, können sie nicht die kleinsten Schwierigkeiten und schon gar keine größere Mühsal aushalten. Wie können solche Menschen den Weg praktizieren? Sie haben den Zustand unseres ursprünglichen Lehrers Shakyamuni Buddha nicht bedacht, bevor er das Leben des Haushälters verließ.
Dann gibt es die Wohlbelesenen, die aber nicht verstehen, dass die Probleme in den Aufzeichnungen der Gespräche unserer Altehrwürdigen dafür gedacht sind, die Verständnisebene von Übenden zu überprüfen. Diese Menschen halten sich für gerissen. Jeden Tag hinterfragen sie die aufgezeichneten Reden und Schriften, formen mit ihrem Mund Worte über Geist und Buddha, interpretieren die Buchstaben der Alten, reden über Nahrung, ohne sie zu essen, zählen die Schätze anderer, ohne solche zu besitzen und denken dabei, außerordentliche Menschen zu sein, wodurch sie ungeheuer arrogant werden. Wenn diese Menschen jedoch ernsthaft erkranken, werden sie nach Hilfe schreien, und am Ende ihres Lebens in Panik geraten und verwirrt sein. Dann ist das, was sie gelernt und verstanden haben, nutzlos, und es wird zu spät sein, dies zu bedauern.
Dann sind da andere Menschen, die den Ausspruch „Ursprünglich sind wir Buddhas“ missverstehen. Diese Menschen behaupten, das ursprüngliche Selbst sei bereits vollständig, weswegen keine Übung nötig wäre. Den ganzen Tag faulenzen sie, haben nichts zu tun, folgen ihren Launen, verschwenden ihre Zeit. Sie bezeichnen sich selbst als „jenseits von Mustern und Formen“ und folgen nur „Ursachen und Bedingungen“. In der Zukunft werden solche Menschen großes Leid erfahren.
Dann gibt es Menschen, die ihren Geist auf den Weg ausgerichtet haben, sich selbst aber nicht in der Praxis üben. Sie ängstigen sich vor umherwandernden Gedanken, und weil sie unfähig sind, diese abzulegen, sind sie den ganzen Tag über gereizt und beschweren sich über ihre schweren karmischen Hindernisse. Aus diesem Grund wird ihr auf den Weg gerichteter Geist rückfällig. Manche wollen bis zu ihrem Tod mit ihren umherwandernden Gedanken kämpfen. Wütend verkrampfen sie ihre Fäuste und drücken ihre Brust und ihre Augen heraus. Es scheint, als wären sie in etwas Großes verwickelt. Trotz der Bereitschaft, im Kampf gegen ihr täuschendes Denken zu sterben, gewinnen sie diesen Kampf nicht und enden sogar, indem sie Blut erbrechen oder verrückt werden.
Dann gibt es solche, die fürchten, der Leere anheimzufallen. Sie wissen nicht, dass in ihrem Geist bereits Dämonen erstanden sind. Sie können ihren Geist nicht leeren und nicht erwachen. Dann sind da diejenigen, die nach Erleuchtung suchen und nicht verstehen, dass diese Suche und der Wunsch, Buddhaschaft zu erlangen, bereits schwer verwirrtes Denken sind. Man kann nicht Sand kochen und hoffen, dann Reis zu essen. Sie können bis zum Jahr des Esels suchen und werden immer noch nicht erleuchtet sein. Manchmal werden sie beschwingt, wenn sie gelegentlich ein paar friedvolle Meditationen gemacht haben. Dies ist wie mit einer blinden Schildkröte, deren Kopf genau durch ein schmales Loch in einem inmitten des Ozeans treibenden Brettes passt. Es ist nicht das Ergebnis wirklicher Übung. In ihrer Freude haben diese Menschen eine weitere Lage Hindernisse geschaffen.
Es gibt solche, die während der Meditation in falscher Reinheit weilen und sich daran erfreuen. Da sie in der Aktivität keinen friedvollen Geist aufrechterhalten können, vermeiden sie laute Orte und verbringen ihre Tage durchtränkt von abgestandenem Wasser. Dafür gibt es viele Beispiele. Für Anfänger ist es sehr schwer, den Eingang zum Weg zu finden. Wenn da Erhellung ohne Gewahrsein geschieht, dann ist das wie in verdorbenem Wasser zu sitzen und auf den Tod zu warten.
Selbst wenn diese Übung hart ist – hast du einmal den Eingang zum Weg gefunden, wird sie einfacher. Was ist der einfachste Weg für Anfänger? Da ist nichts Besonderes außer der Fähigkeit, es abzulegen. Was abzulegen? Allen Verdruss, der aus Unwissenheit entsteht. Mitübende, wenn einmal euer Körper zu atmen aufhört, wird er zur Leiche. Der Hauptgrund, warum wir ihn nicht ablegen können, liegt darin, dass wir ihm zu viel Bedeutung beimessen. Dann geben wir dem Gedanken von selbst und anderen, richtig und falsch, Liebe und Hass, Gewinn und Verlust Nahrung. Wenn wir aber einen festen Glauben daran haben, dass dieser unser Körper wie ein Leichnam ist, wenn wir ihn nicht schätzen und nicht für unser halten – was gibt es dann, das wir nicht ablegen könnten? Können wir es jedoch ablegen, dann wird alles kühl und still, mit nichts als dem einzigen Zweifel des Huatou, jederzeit und überall, ob wir gehen, stehen, sitzen oder schlafen, ob in Bewegung oder nicht, ob ruhend oder aktiv, ob innerlich oder äußerlich. Wenn wir friedvoll und ununterbrochen fortfahren, ohne einen unwesentlichen Gedanken, dann wird sich unser Zweifel ohne eine Spur oder einen Ton auflösen, als käme er mit der scharfen Schneide eines langen Schwertes in Kontakt, das sich bis zum Himmel ausdehnt. Warum sollte da Furcht vor umherwandernden Gedanken sein?

 

 

 

“Beunruhige Dich nicht, wenn ablenkende Gedanken aufsteigen,

aber hüte Dich, sie zu spät zu erkennen!”

 

                                                       Chan-Meister Xu Yun

 

 

 

Meister Hsu Yun zu Schwierigkeiten von Fortgeschrittenen in der Übung:

 

Welchen Schwierigkeiten begegnen fortgeschrittene Praktizierende? Auch wenn einige bis zum Auftauchen echten Zweifels geübt haben und sowohl Gewahrsein als auch Erhellen besitzen, sind sie noch von Geburt und Tod gebunden. Wer weder Gewahrsein noch Erhellen besitzt, fällt in falsche Leere. Manche Übende können sich selbst nicht befreien, sie stehen auf der Spitze eines tausend Fuß hohen Pfostens und können nicht voranschreiten. Andere, die bis zu diesem Stadium vorangeschritten und in der Übung erfahren sind, begegnen nichts, was sie nicht klären können, weshalb sie glauben, die grundlegende Unwissenheit bereits abgetrennt zu haben; sie denken, ihre Praxis sei vollendet. Tatsächlich leben solche Menschen in einer Welle der Ignoranz und bemerken es nicht einmal. Wenn sie einem unlösbaren Problem gegenüberstehen, wo sie ihr eigener Meister sein müssen, dann scheitern sie und geben auf. Das ist bedauerlich.

 

Andere machen die echte Zweifelserfahrung, gewinnen ein bisschen an Weisheit dazu, weil sie Leere erleben, und verstehen einige der alten Gong-an (Koan), geben dann jedoch die Zweifelserfahrung auf, weil sie sich für vollständig erleuchtet halten. Sie verfassen Verse und Gedichte, verhalten sich arrogant und nennen sich tugendhafte Meister des Weges. So narren sie nicht nur sich selbst, sondern führen sogar andere in die Irre und schaffen übles Karma.

 

In anderen Fällen missverstehen manche die Lehre Bodhidharmas: „Sich von äußeren Einflüssen isolieren, innerlich den Geist beruhigen und zu einer Mauer machen, das ist die Methode, den Weg zu betreten.“ Oder auch den Ausspruch des sechsten Patriarchen: „Wenn du nicht an gut oder böse denkst, wo ist in diesem Augenblick dein ursprüngliches Gesicht?“ Solche Menschen glauben, dass wie ein abgestorbener Baum und ein großer Felsbrocken zu meditieren das letztgültige Prinzip sei. Sie halten also die Traumstadt[1] für ihren geschätzten Palast, ein zeitweiliges Gästehaus für ihr Zuhause. Das ist der Anlass für das Gong-an von der alten Frau, die die Hütte niederbrennt, um den Mönch zu ermahnen.[2]

 

Was ist also der leichteste Weg für die fortgeschrittenen Übenden? Seid nicht stolz und gebt nie eure Praxis auf. Diese sollte lückenlos sein. Inmitten dieser feinen, ununterbrochenen Übung müsst ihr noch feinsinniger werden. Während ihr vorsichtig und aufmerksam praktiziert, müsst ihr noch sorgsamer werden. Ist die Zeit reif, wird der Boden des Fasses von selbst durchbrechen[3]. Wenn ihr dies nicht tun könnt, findet einen tugendhaften Lehrer, der die Nägel des Fasses herausbricht und die Riegel entfernt.


[1] Eine Anspielung auf Kapitel 7 des Lotussutras, wo der Buddha das Erreichen des Nirwana durch Arhats als Traumstadt bezeichnet und sie ermahnt, auf dem Weg der Bodhisattvas weiterzugehen.
[2] Der Mönch hatte jegliche Regung nach einer Umarmung der Tochter dieser Frau geleugnet.
[3] Ein Sinnbild der Erleuchtung.